Obacht


                                                      (Bild:Thomas Jansen, reisefotographie)

Frau Meier macht sich Sorgen. Überflüssige wie unnötige. Da sie eine phantasiebegabte Dame ist, endet ihr Repertoire nie:
Es fängt an bei den Kindern, dem Gatten, geht über die Nachbarin, Wäsche und Trockner; dem Wetter - welches besser anders wäre. Wandert weiter über die Einkäufe für den Geburtstag, den Amseln, Drosseln, Fink, und Star; bis hin zum TÜV und dem Vorsorgetermin. Sie gibt Obacht, dass ihr nichts entgeht. Nicht einmal der Weltuntergang, der angekündigt wurde. Der Himmel ist schon ganz verfärbt, ist er nicht?
Sie muss Vorsorge treffen.
Herr Meier sorgt sich nicht, er sagt immer nur:"Mach, wenn du meinst."
Jetzt setzt er sich in den Garten, legt die Füße auf den Teakholztisch - Frau Meier sieht es nicht, sie verschließt gerade Kellertüren, quetscht gerollte Tücher und Matten vor Türschlitze und Fenster.
Herr Meier wedelt mit der linken Hand der adretten Nachbarin freundlich zu. Diese lacht und schickt einen Handkuss zurück. Dann schaut er, wie die Katze der Amsel nachjagt, diese - die Vögeln, nicht die Katze! - ihre Schwingen ausbreitet und davon segelt. Dabei der Katze einen kecken Schulterblick zuwirft.
Herr Meier dreht den Stiel seines Rotweinglases in den Fingerspitzen. Hält es ins Abendlicht. Herrlich, dieser Burgunder. Er saugst das laue Lüftchen tief in seine Lungen. Genießt Himmel und Erde, einen selten farbenprächtigen Sonnenuntergang.
Frau Meier ruft aus dem Keller: "Herrje, hast du diesen Himmel gesehen!?"
Und Herr Meier ruft: "Herrje; oh ja!"
Herzlichst, Birgit

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