Im Knast

                                         
                                                                                  (Bild:Tim Pearce)

Als ich das erste Mal im Knast saß, war ich ein ängstlich. Gut, ich kannte mich hier nicht aus.
Eine besorgte Patientin - nennen wir sie Maria Ichbindiebestimmerin - hatte um Hilfe gebeten. Sie musste ihren Sohn abholen, und schimpfte: "Er muß endlich einer Psychotherapie zustimmen, sonst überlass ich den Bengel seinem Schicksal. Nicht arbeiten können, aber Geld ausgeben!? Alles habe ich für ihn getan, einfach alles. Und wie dankt er es mir? Büchst ständig aus."

Im Warteraum begrüßte uns ein Wachmeister: "Nehmen Sie Platz, wir holen Ihren Filius."
Hier, direkt auf der Wache, würde mir dieser Kerl wohl nichts antun? Richtig begeistert war ich nicht, einen Patienten aufgezwungen zu bekommen. Und dieser mit Sicherheit auch nicht. Manchmal würde ich mein Helfersyndrom am Liebsten auf den Mond schießen. Wenn er mich nun erschoss? Meine Gedanken schossen Querbeet.
Die Eisentür wurde aufgeschlossen, der Schlüssel hakte, dann quietschten Türscharniere. Meine Backenzähne pressten sich auf einander. Es war soweit. Ich würde das erste Mal einen echten Knacki sehen. Da! Jetzt! kam er! Uhf!
Sie schoben ihn herein. Ein kleines Männlein, das in einem Rollstuhl lehnte. Seine rechte Hand döste bewegungslos auf seinen dünnen Beinen. Seine Schultern trieb es Richtung Brustbein, ebenso seinen Kopf, den er mühsam in die Höhe reckte, um mich anzustrahlen: "Hallo. Ich heiße Ben".

Ich erfuhr, dass er gern ein Handicap-Etablissement aufsuchte.
Das war alles.
Und immer wieder ließ seine Mama ihn zurückbeordern.

Ja, manchmal sind Wege weder golden noch silbrig. Aber gangbar.
Heute ist Muttern erleichtert, daß der Junge einen Job als Rezeptionist hat. Eigenes Geld verdient. Manchmal rufe ich Ben an, einfach um zu hören, wie er sich meldet: "Club Handicap, guten Tag, Sie sprechen mit Ben..."
Für ihn ist jetzt alles gut.
Herzlichst, BiggY